KAPITEL
5
DER KONSTRUKTIVE HEDONISMUS
In diesem Kapitel geht es um ein Thema, das die Menschen mit Begriffen wie
Ethik, Moral oder Sittenlehre bezeichnen. Es geht darum, wie Menschen sich
sinnvoll verhalten. Wir bezeichnen diese Thematik lieber mit dem Begriff „Selbststeuerung“.
Wir haben in den verschiedenen Kapiteln
gezeigt, dass die menschliche Selbststeuerung zum Teil chaotisch und destruktiv
ist. Sie ist die wichtigste vermeidbare Ursache für, und das wichtigste
Hilfsmittel zur, Vernichtung von Lebensqualität. Deshalb wollen wir uns mit
dieser Problematik genauer auseinandersetzen. Dabei werden wir zeigen worin das
Chaos besteht, wie es entstanden ist und wie man es verringern kann. Unser
Gegenmittel und ethisches Konzept heißt konstruktiver Hedonismus. Wir beginnen
mit einer Diskussion der Ziele der Selbststeuerung.
Ziele
der Selbststeuerung
Das wichtigste allgemeine Problem ist das Ziel der Selbststeuerung, also die
Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir schlagen bekanntlich vor, die
Lebensqualität zum einzigen absoluten und höchsten Ziel zu machen und sehen
darin auch den Sinn des Lebens und der Welt.
Nun behaupten die weitaus meisten
menschlichen Ethiken, die Gesamtheit ihrer Ziele entspräche oder schüfe
Lebensqualität (s. Einleitung und Kap.4). Es geht also darum, wie dieser
Begriff definiert wird. Die Qualität einer Ethik erkennt man inhaltlich daran,
wie sie Lebensqualität definiert, formal an ihren Regeln. Wir behaupten:
Die
bestmögliche Ethik strebt inhaltlich das größte Glück der größtmöglichen Zahl
emotionsfähiger Wesen in der Zukunft an. Formal muss sie sich an die Regeln der
Logik, der Mathematik und der (natur)wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung halten.
Widmen wir uns der Definition für Lebensqualität etwas genauer:
Das allgemeine Ziel des konstruktiven
Hedonismus lautet: Möglichst viele Menschen und emotionsfähige Tiere sollen die
höchste mögliche Lebensqualität erleben. Dies wird grundsätzlich dann erreicht,
wenn möglichst viele angenehme und möglichst wenig unangenehme
Gefühle empfunden werden.
Diese Zielvorstellung teilen übrigens weitgehend die meisten (auch religiöse)
Menschen, wenn auch oft unbewusst. Ihr himmlisches „Leben nach dem Tode“ z. B.
entspricht recht genau diesen hedonistisch-paradiesischen Vorstellungen. Diesen
Hedonismus im Himmel gönnen religiöse Führer ihren Schafen auch gerne,
auf Erden dagegen behindern oder bekämpfen sie ihn mindestens genauso
erfolgreich, wie sie ihn fördern.
Hedonistische Motivationen und
Wertvorstellungen bestimmen das Denken der Menschen, seit es sie gibt. Sogar
Mohammed, Buddha und die Philosophen der Antike vertraten Varianten des
Hedonismus. Erst das Christentum überdeckte die Ethik der Antike mit irrationaler
lustfeindlicher Finsternis.
Schauen wir uns einige Beispiele der
zahllosen ideologischen Varianten, insbesondere deren Definition für
Lebensqualität, an. Keine dieser Varianten kann als wissenschaftlich durchdacht
(in sich schlüssig usw.) bezeichnet werden. Alle haben dennoch das Leben von
Milliarden von Menschen bestimmt.
Buddha sah Sinn und Glück (die Befreiung
vom Leid) u. a. in der Befreiung von der Gier, in „nirwanischer“ Ruhe, in
Meditation und der Wanderung auf gewissen 8 Pfaden.
Mohammed definierte und erlebte
Lebensqualität u. a. bei Vielweiberei, Gebeten, Fasten, Mekkareisen, Missionierungsaktivitäten
(Dschihad) und Hilfsbereitschaft.
Mohammed litt ca. 20 Jahre unter leichtem
Realitätsverlust. Er hörte Stimmen und hatte Visionen, die er für göttlich
hielt. Diese Irrungen (Halluzinationen) seines Geistes wurden, wie bei Moses
usw., später aufgeschrieben, Koran genannt und bis heute von Muslimen für die
Worte Gottes (Allahs) gehalten. Aus naturwissenschaftlicher Sicht sind es
Mohammeds Worte und seine Anhänger deshalb, auch wenn sie dies nicht gerne
hören, Mohammedaner.
Christen lieben das Gebet, die Liebe zu
Jesus oder Gott, Nächstenliebe, Hoffnung, Glaube usw.
Zur weiteren Verdeutlichung der christlichen
Definition zitieren wir ein Lexikon der Menschen sinngemäß:
„Im Christentum ist die Glücksidee eng mit
religiöser Erfahrung geknüpft. Für Augustinus besteht das Glück in der
Gottesschau (visio Dei).
Thomas von Aquin betont die Möglichkeit der beatitudo
in einem tätigen Verstand (essentia beatitudinis in actu intellectus consisistit). Spinoza findet in der geistigen Liebe zu Gott
(amor Dei intellectualis) den entscheidenden Zugang zur
Glückseligkeit.“
Zahllose andere Definitionen finden sich
bei zahlreichen anderen Religionen, Sekten, Philosophen usw.
Viele Philosophen hatten Freude bei (ihren)
geistigen Aktivtäten, bei und durch Selbstdisziplin, Askese usw.
Goethe genoss die Natur, Schiller die
Künste.
Den meisten Definitionen ist gemeinsam,
dass ein gewisser Lustverzicht, intellektuelle Anstrengung, soziales Engagement
und Glaube verherrlicht werden.
Alle beruhen natürlich auf kollektiven,
aber auch auf individuellen Erfahrungen und auf biologischen Grundlagen.
Letzteres bedeutet, dass alle u. a. der Befriedigung genetisch angelegter
Antriebe dienen.
Keiner dieser Definitionsversuche für
Lebensqualität deckt jedoch das ganze Spektrum der möglichen biologischen
Antriebe (Glücksmöglichkeiten) ab.
Sexualität z. B. ist global öffentlich
weitgehend verpönt, Statusdenken (Angeben) wird öffentlich meist verpönt und oft
(un)heimlich doppelmoralisch betrieben
(Prätentiomanie).
Alle Morallehren (Ideologien) spiegeln also
nicht göttliche Wahrheiten eines Schöpfers, sondern die jeweiligen Psychen
(Vorlieben, Abneigungen, Erfahrungen) ihrer menschlichen Schöpfer (Hirten)
wider.
Diese Hirten besaßen fast alle mehr
Selbstkontrolle (Tugendhaftigkeit), soziales Engagement, Selbstbewusstsein,
Realitätsverlust, Fantasie, Empathie, Charisma und Intellekt als der
Durchschnitt der Restbevölkerung. (Natur)Wissenschaftler waren sie nicht.
Ein rationales, wissenschaftliches,
konsistentes Konzept (den konstruktiven Hedonismus) lieferte keiner dieser
Ideologieschöpfer bzw. -veränderer.
Die relative Lustfeindlichkeit der
dominierenden Ethiken konnte sich nicht nur wegen suggestiver Methoden,
Zwängen, ihrer Anerkanntheit und Größe durchsetzen, sondern weil sie als
Regulativ gegen die biologisch angelegte Neigung der Mehrheit zu exzessiver
Lust gebraucht wurde und wird.
Die weltweite Einheit und Gleichheit bzgl. hedonistischer Wünsche beruht auf
biologischen (genetischen) gemeinsamen Ursprüngen der Menschen. Diese konnten
bisher niemals von irgendeiner Ideologie grundsätzlich kontrolliert oder
beseitigt werden. Auch der konstruktive Hedonismus kann dies nicht vollständig,
aber am besten.
Um Klarheit zu schaffen und um Verwechslungen
und Missverständnisse zu vermeiden, werden wir die Zielvorstellung und Regeln
des konstruktiven Hedonismus genauer spezifizieren (s. u.). Der konstruktive
Hedonismus stimmt erheblich mit alten ethischen Konzeptionen überein. Er
entspricht wahrscheinlich zu ca. 70% den Morallehren der Urmenschen, zu ca. 80%
dem Hedonismus und Eudämonismus der Antike und zu ca. 90% dem Utilitarismus,
der im 18.- und vor allem 19. Jahrhundert in England entwickelt wurde. Wir
empfehlen, u. a. bei K. Lorenz, Aristippos, Epikur, Bentham, J. S. Mill und Peter Singer nachzuschlagen.
Singers Vorschlag, die freie Selbstbestimmung über das Glück zu stellen,
entspricht dem konstruktiven Hedonismus allerdings nicht. Hier liegt eine seit
Jahrhunderten übliche Überbewertung der Freiheit vor, die sich in Ansätzen auch
schon bei Mill findet.
Kommen wir damit zu einigen Spezifikationen aus der Sicht des konstruktiven
Hedonismus:
Die Messbarkeit von Gefühlen
Allen hedonistischen Konzeptionen wurden (und werden) von vielen meist
religiösen Konkurrenten mit Kritik und Häme überschüttet.
Ein Vorwurf, den sogar Mill seinem
Vorgänger Bentham gemacht hat, lautet: „Da Gefühle nicht messbar sind, ist das
ganze Konzept nicht anwendbar.“ Darauf erwidern wir wie folgt:
1. Alle Werte aller Ethiken sind wesentlich durch emotionale Komponenten
bestimmt oder selbst gar nichts anderes als Gefühle. Das Wesen aller Werte ist weitgehend emotional. Das Problem der
Messbarkeit gilt also für jede Ethik. Es gilt im Übrigen außerdem für
jedes ethische Prinzip (einschließlich aller Werte, Normen, Tabus, Gebote usw.)
unabhängig von der Beteiligung von Gefühlen.
2. Die Kritiker unterschätzen ihre (sonst so gern überschätzte)
Intuition und jegliche unbewusste und rationale Entscheidungsfähigkeit bei
weitem. Richtig ist, dass mikrometergenaue absolute Messungen für Gefühle nur
selten gelingen. Richtig ist aber auch, dass menschliche Gehirne (insbesondere die
Intuition) ungeheuer fein und genau Gefühlsintensitäten vergleichen und
entsprechend entscheiden (können).
Zudem beruhen Fehler bei Entscheidungen nur
relativ selten auf emotionalen Messfehlern. Sie beruhen meistens auf
irrationalen (=antihedonischen) Wertungen, die besonders von den angesprochenen
Kritikern ausgehen. So entstand der 30jährige Krieg u. a. aus päpstlicher Gier,
der Nahost-Konflikt u. a. aus westlichem Parasitismus, islamischer Rache und
universellen Machtansprüchen usw. Genaue Messungen der beteiligten Gefühle
stellten hier und bei Millionen anderen Konflikten kein entscheidendes Problem
dar. Solche Messungen sind für eine konstruktive Steuerung der Menschheit
grundsätzlich oft ähnlich wichtig, wie die Berücksichtigung relativistischer
Effekte (der Relativitätstheorie) auf einen romantischen Spaziergang im
Mondschein.
Es gibt konstruktives Leid. Dieses
beinhaltet unangenehme Gefühle, die in der Bilanz mehr angenehme Empfindungen (Lebensqualität)
schaffen als unangenehme.
Es ist vielleicht nicht möglich und/oder sinnvoll, das konstruktive Leid
vollständig abzuschaffen, es ist aber möglich, die gesellschaftlichen
Bedingungen so zu verändern, dass es seltener notwendig wird und deshalb
seltener erlebt werden muss.
Traditionelle Unvereinbarkeiten
Menschen haben Tausende von Vorschlägen für ethische Ziele, also zur Definition
von Lebensqualität entwickelt. Üblich sind Mischungen aus zahlreichen Werten,
Gefühlen und Idealen wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit,
Gottesfürchtigkeit, Ehrlichkeit, Lustverzicht, Treue, Tugend, Würde,
Menschlichkeit, Vielfalt, Schöpfungstabu, menschliches Leben usw.
Diese werden häufig zu absoluten Werten
erklärt. Das führt zu destruktiven Widersprüchen, da es nicht möglich ist,
optimale logische Systeme (Ethiken) zu schaffen und anzuwenden, die viele
absolute Werte enthalten. Durch diese Vielfalt verringern Menschen unnötig
Lebensqualität. Machen wir uns die Problematik an einem Beispiel deutlich:
Hunger und Armut in heutigen Kulturen können langfristig nur durch sinnvolle
Kontrolle (Verringerungen) der Geburtenraten verhindert werden. Stattdessen
rufen fast alle Religionen zur Fortpflanzung auf, als sei das Aussterben der
Bewohner der Osterinseln ihr Ziel und Vorbild.
Die Richtigkeit der Wahl eines Wertes ist grundsätzlich nicht beweisbar oder
widerlegbar. Wahrscheinlich kann die Richtigkeit jeder Behauptung
nur innerhalb eines Argumentationssystems bewiesen werden. Dabei wird sie
auf grundsätzlichere Aussagen dieses Systems zurückgeführt. Für die
grundsätzlichsten Aussagen jedes gedanklichen Systems, die man als Axiome bezeichnet, ist dies aber
wahrscheinlich prinzipiell für jeden und immer unmöglich (s. Gödel). Man kann
sie, wenn überhaupt, nur mit Aussagen eines überordneten außerhalb liegenden
Systems beweisen. Dessen Axiome müsste man wieder mit Hilfe eines übergeordneten
Systems beweisen usw. ad infinitum. Eine solche
unendliche Beweisführung dürfte prinzipiell unmöglich sein.
Es lässt sich jedoch zeigen, dass es unmöglich ist, ein widerspruchsfreies
ethisches System mit mehr als einem absoluten Wert aufzustellen.
Darüber hinaus lässt sich beweisen, dass alle religiösen Ethiken
unwissenschaftlich entwickelt, in sich widersprüchlich und zu wenig
veränderlich sind.
Die veränderliche menschliche Gesellschaft und Umwelt fordert aber veränderliche
Ethiken. Das gilt für jede existierende Ethik, gleichgültig welche Werte
sie aufweist.
Des Weiteren lässt sich beweisen, dass alle existierenden menschlichen Ethiken
ihre Ziele umso weniger erreichen, je verschiedenartiger und gegensätzlicher
sowohl die Ziele als auch die Menschen sind. (Dies gilt allerdings erst von
einem bestimmten Grad an Verschiedenheit aufwärts, übrigens auch abwärts.).
Trotz dieses Problems hat die Menschheit
eine Gesellschaft geschaffen, in der Verschiedenheit sowohl übertrieben
verherrlicht als auch übertrieben erreicht wird (Heteromanie).
Es steht weiterhin außer Frage, dass der Wunsch nach hoher Lebensqualität
biologisch natürlich ist und auch in der heutigen Kultur von den meisten
Menschen und allen Ethiken, also auch von allen Religionen, angestrebt wird.
Fast alle Menschen streben sogar nach angenehmen Gefühlen im hedonistischen
Sinne, soweit es um ihr eigenes individuelles Glück geht. Die meisten tun dies
mit Einschränkungen auch bezogen auf ihre nähere menschliche oder auch
tierische Umgebung, insbesondere für Familie, Freunde, Haustiere usw.
Nur wenige tun es leider für (besonders
Bedürftige, womöglich weit entfernte) Fremde oder für die ganze Menschheit,
wenn (weil) sie für altruistisches Verhalten keine altruistischen Rückantworten
erwarten können. (Hier würden Zwänge und noch besser Belohnungen konstruktiver
wirken, als Ignoranz, Völkerrecht und aufgeblähte Freiheitsideale.).
Bei den meisten Wild- und Nutztieren fragt
die Mehrheit der Menschen überhaupt nicht nach deren Lebensqualität. Selbst
grausamstes Quälen ist weltweit überwiegend sogar legal.
Für den konstruktiven Hedonismus spricht also die Tatsache, dass fast alle
Menschen aufgrund ihrer biologischen Natur (zum Teil überwiegend intuitiv) nach
seinen Zielen streben.
Ähnlich spricht auch die Tatsache, dass
gerade wirkliche menschliche Wissenschaftler für ihn eintreten, für den Hedonismus
(Utilitarismus). Epikur, Bentham, Mill usw. haben wir bereits erwähnt. Hans
Albert hat im 20. Jahrhundert hedonistische Prinzipien einer genaueren (u. a.
kritisch rationalistischen) wissenschaftlichen Analyse unterzogen. Diese
Analysen wurden später von Wissenschaftlern aus dem amerikanischen Sprachraum
weiter vertieft.
Der australische Utilitarist Peter Singer erntete harte Kritik, weil er keine
Einwände gegen die Tötung behinderter Neugeborener oder hoffnungslos dementer
Greise erhob.
Eine etwas sanftere hedonistische Variante,
den humanen Utilitarismus, vertritt Bernward Gesang in seinem Buch „Eine
Verteidigung des Utilitarismus“ (Reclam). Er zeigt vor allem, dass seine
ethische Konzeption besser als jede andere mathematisch und
naturwissenschaftlich beschrieben und kontrolliert werden kann. Dazu verwendet
er Konzepte aus der theoretischen Physik und mathematische Verfahren
(numerische Optimierung), die wir in seinem Buch nachzulesen empfehlen.
Die paradiesischen Zustände, die Hedonisten auf Erden fordern, verlegen
religiöse Führer bekanntlich gerne ins himmlische Jenseits. Viele tun dies
nicht nur aus Dummheit oder weil sie dadurch besser ihre Schäfchen manipulieren
(abzocken?) können, sondern auch weil tatsächlich das irdische Leben
(konstruktives) Leid unter anderem zum Zwecke des langfristigen Überlebens
unabdingbar erfordert.
Dennoch definieren Religionen den Begriff „Lebensqualität“
zwar z. T. mystisch, irrational und abergläubisch, aber immer emotional und
immer zum Teil auch hedonistisch.
Wie auch bei anderen Führern üblich,
gönn(t)en die meisten religiösen Führer sogar manchen Menschen schon auf Erden
viele hedonistische Genüsse. Diese Menschen waren allerdings i. d. R. die
Hirten, nicht die Schäfchen. Mit emotional ist hier sowohl aus „emotionalen
Gründen“ als auch „mit emotionalen Zielen“ gemeint.
Es
ist erstaunlich, mit welchem Erfolg alle Religionen trotz vieler
antihedonischer religiöser Ziele ihre Ethiken gegen vernünftige Verbesserungen
von Naturwissenschaftlern, Philosophen, natürlichen Alltagsmenschen,
konstruktiven Religionsstiftern usw. verteidigen konnten.
Es gab aber auch Misserfolge (z. B. Kirchenaustritte) der Religionen (und
anderer Ideologien), die auf ihren Fehlern (rassistisch kriegerischen
Aktivitäten, Ausbeutung, mangelnde Flexibilität, Widersprüchen, Missbrauch,
antihedonische Werte und Regeln usw.), den Erfolgen naturwissenschaftlicher
Forschung und der biologischen Natur des Menschen beruhten.
Diese Misserfolge trugen wesentlich zur Entstehung der so genannten Spaßgesellschaft Ende des 20.
Jahrhunderts bei. Diese kommt der Natur des Menschen und dem Hedonismus näher als
religiöse Lustverzichtsethiken, richtet allerdings dennoch auch viel Schaden an.
Leider entstand auch die Pluralismusneurose
(Relativismus). Viele menschliche Intellektuelle verteufeln zurzeit jegliche
eindeutige ideologische Konzepte (Heilslehren), weil die Menschheit damit
-besonders in den letzten Jahrtausenden- viele grausame Erfahrungen gemacht hat
(Faschismus, Kommunismus, Kapitalismus usw.).
Weshalb sie sich wahrscheinlich irren und weshalb auch der Pluralismus, eine oft
intolerante getarnte Heilslehre, die zurzeit viele verherrlichen, oft
antihedonisch wirkt, haben wir im Kap. 4 „Die Selbststeuerung“ erläutert [siehe
auch bei K. Popper]. Wir jedenfalls glauben an die Unbeweisbarkeit der
Richtigkeit aller Theorien, aber auch an die Notwendigkeit, der jeweils
besten entwickelbaren Theorie (Ideologie, Ethik) folgen zu müssen. Die
Wahrscheinlichkeit, ein besseres Selbststeuerungskonzept zu finden, als den
konstruktiven Hedonismus, erscheint uns extrem niedrig. Deshalb gewähren wir niemandem
die Freiheit, Lebensqualität willkürlich zu vernichten, auch nicht uns selbst. Jedes intelligente System hat die Pflicht,
möglichst viel zur höchstmöglichen Lebensqualität im Multiversum beizutragen.
Wege aus der Krise
Die menschliche Lebensqualität kann durch folgende grundsätzliche Maßnahmen
verbessert werden, die übrigens weitgehend unseren 14 Geboten
entsprechen:
1. Möglichst viele Lebensformen, die angenehme Gefühle empfinden können, werden
erhalten oder geschaffen. Die optimale Zahl der Individuen und Lebensformen
(Arten) muss von der höchsten erreichbaren Lebensqualität abhängen und bestimmt
werden.
2. Die Vielfalt absoluter Werte wird abgeschafft. Es gibt nur ein
absolutes Ziel, nämlich Lebensqualität im oben definierten Sinne.
Freiheit, Brüderlichkeit, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und viele andere Werte bleiben
hohe Werte. Sie sind aber nur dann anzustreben, wenn sie (und so, dass sie) am
besten der Lebensqualität aller Beteiligten dienen. Am besten heißt, dass
möglichst Viele möglichst viel Lebensqualität erreichen.
3. Der Begriff Lebensqualität wird möglichst eindeutig definiert (siehe unten).
Lebensqualität ist ein Zustand, in dem möglichst viele Lebewesen möglichst
immer möglichst intensive angenehme und möglichst wenig unangenehme Gefühle
erleben.
Fast alle
menschlichen Gefühle entstehen bei ursprünglich überwiegend arterhaltenden
(An)triebbefriedigungen. Die wichtigsten sind: Essen, Sexualität, Körperpflege,
Brutpflege, Rangordnungsbildung, Spiel, Bewegung, Aggression, Neugier,
Selbsttötungshemmung, Altruismus, Jagd, Flucht. Alle menschlichen
Umschreibungen, wie Ehrgeiz, Reiselust, Liebe, Ehrgefühl, Geiz, Edelmut,
Anstand, Hilfsbereitschaft, Wut, Egoismus usw. für Gefühle und emotional
bedingte Handlungen gehen wahrscheinlich nur auf diese (und einige weitere)
Antriebe zurück. Sie sind Mischungen (Kombinationen) aus Gefühlen, die auf
angeborenen Grundlagen beruhen und (fast?) alle auch bei Primaten auftreten.
Das Neukombinieren von Gefühlen erfolgt u. a. durch Konditionierungslernen. Ob
das Belohnungszentrum ein eigenständiges emotionales Zentrum darstellt oder nur
biologisch-genetisch angelegte Gefühlszentren (z. B. die für Nahrung und
Sexualität im Hypothalamus) nutzt, ist unklar. Es dürfte auf jeden Fall schwer
fallen, eine Belohnung (angenehmen Reiz) zu finden, bei dem keines der genetisch
angelegten Gefühls- bzw. Antriebszentren genutzt wird oder zumindest zunächst
wurde.
Wirklich
neue Gefühlskombinationen können wahrscheinlich nur künstlich, z. B. durch
Drogen, Gifte, Lebensmittelzusätze und Medikamente oder durch genetische
Veränderungen erzeugt werden. Viele der oben genannten Umschreibungen für
Gefühlskombinationen sind von Menschen unter anderem geschaffen worden, um sich
von scheinbar primitiven triebgesteuerten Tieren abzuheben.
Unangenehme Gefühle dürfen nur existieren,
wenn (solange) sie für die Lebensqualität oder die Erhaltung des Systems
unentbehrlich sind.
4. Möglichst alle sinnvollen Funktionen unangenehmer Gefühle werden durch
vernünftige, wissenschaftliche Selbststeuerung ersetzt.
5. Die Fähigkeit, angenehme Gefühle zu empfinden, wird bewahrt oder noch besser
weiterentwickelt. Wenn möglich, werden neue Gefühle entwickelt oder von anderen
(außerirdischen) Systemen übernommen. Die biologischen Bedürfnisse und die
damit verbundenen Gefühle sind kein unantastbares heiliges Ideal. Sie müssen
und dürfen verändert werden, wenn z. B. die menschliche Umwelt sich ändert und
wenn die Veränderungen die Gesamtlebensqualität erhöhen.
6. Möglichst viele für die Lebensqualität wichtige Informationen werden möglichst
vielen emotionsfähigen Lebewesen vermittelt.
7. Die Verschiedenheit der Menschen wird in allen Bereichen auf das Maß
gebracht, das zur höchsten möglichen Lebensqualität führt. Dazu wird die
Freiheit in einigen Bereichen vergrößert und in einigen Bereichen verringert.
Die wichtigste Freiheitseinschränkung ist die Schaffung einer weltweit
weitgehend einheitlichen Grundsatzethik. Ethische Verschiedenheit muss da
erhalten bleiben, wo verschiedene Lebensbedingungen verschiedene Ethiken
fordern, um das immer gleiche Ziel Lebensqualität zu erreichen. Zu starker ideologischer Pluralismus kann u. U. mehr Lebensqualität vernichten als
schlecht gewählte Grundwerte.
8. Alle Lebewesen werden -soweit es geht- so erzogen, sozialisiert
und konditioniert, dass bei arterhaltendem und prohedonischem Verhalten
angenehme Gefühle entstehen und bei artschädigendem und antihedonischem
Verhalten unangenehme Gefühle entstehen.
9. Die genetische Selbstzerstörung wird durch konstruktive genetische
Selbststeuerung ersetzt. Grundsätzliche Schöpfungstabus werden generell
aufgegeben.
10. Jede Form von Parasitismus wird zu ca. 98 % beseitigt.
11. Sexualfeindlichkeit wird durch konstruktive sexuelle Selbststeuerung
ersetzt.
12. Alles destruktive Irrationale, wie Aberglaube, bewusste Verbreitung
falscher Information, Umweltzerstörung, Neurosen, Bewegungsfeindlichkeit,
Rassismus, Überverwöhnung, soziale Inkompetenz usw. wird beseitigt.
13. Der konstruktive Hedonismus ist, mit Ausnahme seines Hauptziels,
räumlich und zeitlich veränderlich. Das allgemeinste, abstrakte Ziel lautet:
Das Universum muss so gesteuert werden, dass das größte mögliche Ausmaß an
Glück und das niedrigste mögliche Ausmaß an Leid möglichst lange und in alle
physikalischen Dimensionen gerichtet entsteht bzw. besteht. Dieses einzige
absolute Ziel (Wert) ist (wahrscheinlich für immer) unumstößlich und
unveränderlich. Es kann jedoch in veränderlichen Welten nur erreicht werden,
wenn die konkrete Definition für Glück und Lebensqualität stets und sofort
diesen Veränderungen angepasst wird.
14. Die Lebensqualität zukünftiger Menschen (Lebewesen) wird bei der
Selbststeuerung genauso oder sogar mehr berücksichtigt, wie die gegenwärtiger.
Anders ausgedrückt: Die Bewertung aller
(ethischen) Entscheidungen müsste davon abhängen, wie sie die Lebensqualität
aller Betroffenen in der Zukunft beeinflussen. Einfacher: Das höchste Ziel
aller Selbststeuerungen muss die bestmögliche Zukunft sein, nicht die
Einhaltung irgendwelcher Normen und Gesetze und auch nicht das Glück der
Gegenwart.
Auf diese Problematik wollen wir etwas näher eingehen:
Menschen bewerten ihre ethischen Handlungen oft naiv, gegenwartsbezogen und
visioman. Das verdeutlichen wir an Beispielen:
Wenn
jemand in einem totalitären System (z. B. in der DDR) opportunistisch politisch
mitgearbeitet hat, um das antihedonische Regime besser bekämpfen zu können, wurde
und wird er unter Umständen später dafür bestraft. Gorbatschow ist
möglicherweise ein Beispiel für ersteren Fall.
Das
Wirken Gorbatschows ist auch ein Beispiel dafür, dass konstruktiv erscheinende
Reformen destruktiv wirken können. Seine Reformen haben die frühere Sowjetunion
und auch die meisten weiteren Warschauer-Pakt-Staaten in Nationalstaaten aufgespalten,
von denen viele in nie da gewesener
Weise von parasitär-mafiotischen und/oder rassistischen Gruppen beherrscht
werden. In einigen Staaten, z. B. in Weißrussland, Kroatien, Ukraine und Russland,
ist oder war eine Unterscheidung zwischen Mafiamitgliedern und
Regierungsmitgliedern vielfach nicht mehr möglich (gegeben?). Diese parasitären
Gruppen (Krankheitserreger) sind gerade dabei, die übrigen Staaten nach
italienischem Vorbild zu infizieren. Da einige, insbesondere afrikanische und
südamerikanische Nationen solche Infektionen schon lange nicht mehr nötig
haben, infiziert man sich halt gegenseitig und immer wieder. In „trauter“
Einheit liefern fast alle, nachdem die (angeblichen und scheinbaren) Herrschaften
des Proletariats, des Papstes und des Volkes gescheitert sind, den Nährboden
für die Weltherrschaft des Parasitariats. Die wichtigsten Düngemittel für diese
Entwicklung liefern die Industrienationen der westlichen Welt. Sie heißen: Hyperfreiheit,
Hyberanonymität, Hypernächstenliebe, absolute Prostitutions-
und Drogentabus usw. (Details s. Kap. 1).
Niemand
wird jemals sagen können, ob die revolutionären Entwicklungen in der
Sowjetunion seit Gorbatschow konstruktiver sind als eine allmähliche
Liberalisierung unter Bewahrung mancher alter kommunistischer Grundideen (vgl.
China). Gorbatschows Leistung wird sogar noch fragwürdiger, wenn man die
Entwicklung seines Landes mit der Chinas vergleicht.
Hier hat eine allmähliche innere Veränderung des Systems Reformen bewirkt, die
nicht optimal, jedoch vielleicht konstruktiver als die russischen sind. Im
manchen Ländern (Baltikum, DDR usw.) waren die Wirkungen Gorbatschows
andererseits eindeutig überwiegend konstruktiv.
Weitere kritische Beispiele: Jemand leistet Sterbehilfe, um finanzielle Mittel
und zeitliche Möglichkeiten für die Rettung verhungernder Kinder in
Entwicklungsländern frei zu machen.
Jemand treibt ein behindertes Kind ab, um die Möglichkeit zu schaffen, ein
gesundes Kind zu zeugen und groß zu ziehen.
In allen Fällen müssten die Handlungen danach bewertet werden, was sie zur
Lebensqualität in der Zukunft beitragen. Üblich ist es, den Verstoß gegen
Verbote, wie das Töten, unmittelbar und gegenwartsorientiert zu bestrafen.
Üblich
ist es auch, die Verhinderung der Zeugung des gesunden Kindes in unserem
letzten Beispiel (auch unabhängig von der angesprochenen Abtreibung) überhaupt
nicht als ethisch abwertbar einzustufen.
Die
Menschheit greift jedoch z. B. dadurch, dass in Industrienationen die
Oberschicht sich deutlich weniger vermehrt als die so genannten
Minderqualifizierten sowohl in „Gottes Handwerk“ als auch in ihre
Lebensqualität ein. Dies ist wieder einmal ein Beispiel dafür, dass eine aktive
Handlung (z. B. eine Abtreibung) von der Mehrheit stark bewertet wird, während
die weitgehend passive und versteckte Empfängnisverhütung der geistigen Eliten von
der Mehrheit nahezu überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder abgewertet wird.
Um Missverständnissen vorzubeugen:
1. Die derzeitige indische religiös motivierte generelle Nichtverhütung wirkt
langfristig vielleicht noch antihedonischer als der akademische
Vermehrungsverzicht.
2. Die (natürlich zahlreich vertretenen) Feinde der Empfängnisverhütung schaffen
höchstwahrscheinlich mit ihren entsprechenden Tabus eine schlechtere
Zukunft als ohne.
Wir halten die angesprochenen visiomanen rein vergangenheits- und gegenwartsbezogenen
Bewertungen für irrational und antihedonisch. Jede vermeidbare Handlung bzw.
Entscheidung, die wissentlich die schlechtere von mindestens zwei möglichen
Zukünften herbeiführt, ist abzuwerten. Anders ausgedrückt: Jeder Mensch ist verpflichtet, sich so zu verhalten, dass die hedonisch
beste Zukunft entsteht. Dazu muss er sich so gut wie möglich informieren.
Alle Menschen sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dies möglich wird. Insbesondere
müssen die bekannten Informationen nach Relevanz geordnet und die hedonisch
relevantesten, statt des üblichen Bildungschaos, vermittelt werden.
Die
Probleme unvollständiger und irrationaler Informationsverbreitung sind unten und
im Kap. 3 diskutiert.
Konstruktive, hedonistische ethische Konzeptionen entsprechen der biologischen
Natur von Mensch und Tier. Deshalb haben Menschen, seit es sie gibt, immer
wieder solche Konzeptionen entwickelt, verändert und verbessert.
Beispielsweise
stand in der Antike das menschliche Glück ganz selbstverständlich im
Mittelpunkt des Handelns und Denkens fast aller Philosophen und auch
Durchschnittsmenschen. Aristippos und Epikur z. B. entwickelten schon zwischen
400 und 300 v. Chr. ein Konzept, das Hedonismus
oder Eudämonismus genannt wird. In diesen Konzeptionen und in ihrer realen
Auslegung stand allerdings nicht das Glück der Menschheit
(schon gar nicht der Tiere) im Mittelpunkt, sondern das individuelle Glück
und/oder das Glück der Gruppe, zu der man gehörte. Fremde (auch Arme,
Sklaven und Frauen), z. B. rassistisch, zu benachteiligen und zu quälen war
üblich.
Aristippos (um 440
bis ca. 360 v. Chr.), griechischer Philosoph, begründete in Athen die
kyrenäische Schule des Hedonismus. Glück stellt nach seiner Lehre das höchste
und Leid das geringste Gut dar. Schmerzen (Leid) galt es zu vermeiden. Tugend
war die Fähigkeit, die Freuden zu genießen, ohne von ihnen beherrscht zu
werden. Aristippos forderte
kontrollierte Lust und Freude.
Die hedonistischen Ethiken der Antike verbesserten später vor allem englische
Philosophen, wie Bentham und Mill, die ihre Konzeption „Utilitarismus“ nannten. Die wichtigste Verbesserung bestand darin,
dass nicht mehr das individuelle Glück, sondern das „Glück der größten Zahl“
zum Hauptziel des menschlichen Handelns erklärt wurde. Leider lieferten sie
alle keine klaren Definitionen für den Glücksbegriff (Lebensqualität), sondern
überbetonten (wie üblich) z. B. die Freiheit, den Altruismus (Brüderlichkeit)
und andere Grundwerte der Aufklärung.
Alle konstruktiven, hedonistischen Lehren stehen (teilweise scheinbar!) mehr
oder weniger im Widerspruch zu christlichen Lehren und allen anderen Ethiken.
Deshalb wurde und wird der Hedonismus vom Christentum, aber auch von fast allen
anderen Religionen und Ethiken, erfolgreich bekämpft, oft sogar verteufelt. Das
hat dazu geführt, dass viele Menschen umgangssprachlich unter einem Hedonisten
jemanden verstehen, der oberflächlich und lustorientiert primär sein eigenes
Glück sucht. Solch ein Verhalten ist jedoch antihedonisch und wurde von keinem
der genannten Philosophen befürwortet (s. o.).
Feinde (manipulierte Geister) des
Hedonismus finden sich sogar unter jüngeren Spaßgesellschaftsmenschen, deren
Oberflächlichkeit und Egoismus ein echter Hedonist, ähnlich wie ein Calvinist,
ablehnt.
Wir erinnern nochmals: Alle Ethiken, auch solche, die den Hedonismus
bekämpfen, sind überwiegend hedonistisch. Alle Werte aller Ethiken enthalten
nämlich als entscheidende Bestandteile (angenehme) Emotionen. Religiöse Werte
und Ziele sind nichts anderes, als das Wesentliche und den biologischen
Ursprung verschleiernde Bezeichnungen für Mischungen aus überwiegend angenehmen
Gefühlen (siehe oben). Deshalb liegt der eigentliche und wichtigste Unterschied
zwischen konstruktivem Hedonismus und allen anderen Ethiken nicht darin, dass
der Hedonismus als einziger emotionale Ziele hat. Der Hedonismus unterscheidet
sich vielmehr nur insofern von allen anderen Ethiken, wie sich auch alle
anderen Ethiken untereinander unterscheiden, nämlich in der unterschiedlichen
Auswahl und Mischung von Gefühlen zur Definition von Lebensqualität. Wir
behaupten und versuchen zu beweisen, dass alle anderen Ethiken Lebensqualität
weniger rational und in sich widersprüchlicher definieren und weniger erreichen.
An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass eines der größten Probleme aller
Ethiken aus dem gleichzeitigen Streben nach Lebensqualität und Lebenserhaltung
erwächst. Diesen Widerspruch haben wir u. a. unten und in der Zusammenfassung: „Das
hedonistische Manifest" erörtert.
In christlichen Ethiken gelten die Kardinaltugenden Liebe, Hoffnung und Glaube als
ethisches Fundament. Das heißt konkreter, dass die Liebe zu Gott und zum
Nächsten, das menschliche Leben, die Tugend, die Freude an manchem
Lustverzicht, die Achtung vor den Sittengesetzen, ein paradiesisches Leben nach
dem Tode und -vor allem in jüngerer Zeit- die Freiheit zu den höchsten Werten,
Antrieben und Zielen zählen. Liebe und Hoffnung sind Erscheinungen mit
angenehmer emotionaler Tönung, die der konstruktive Hedonismus mit der
christlichen und den meisten anderen Ethiken gemeinsam hat. Auch die
Vorstellung der meisten Christen vom Paradies entspricht bekanntlich weitgehend,
wenn auch nicht klar definiert, den Zielen des konstruktiven Hedonismus. Es
gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied: Der Hedonismus legt das Paradies in
die reale Wirklichkeit und Gegenwart. Das Christentum und viele andere
Religionen legen es in eine spekulative Zukunft, u. a. um ihre Anhänger für
religiöse Führer ausnutzbar, manipulierbar und gehorsam zu machen und um die Aussicht
auf ein Lebens nach dem Tode anbieten (verkaufen) zu können.
Im Hedonismus wie im Christentum ist jedoch ein paradiesischer Zustand
ein sehr wichtiges Motiv für fast alle Handlungen. Motive sind unangenehme und
angenehme Gefühle. Somit stehen (un)angenehme Gefühle auch im Mittelpunkt der
christlichen Ethik. Sie stehen aber aus noch einem weiteren Grund im
Mittelpunkt aller Ethiken: Das menschliche Handeln (Selbststeuerung) ist das
zentrale Thema aller Ethiken. Fast alles -auch religiöses- bewusste menschliche
Handeln beruht auf emotionalen Motiven, also auf hedonistischen Prinzipien.
Deshalb kann es eine völlig unhedonistische Ethik nicht geben. Es gibt aber gute
und schlechte hedonistische Ethiken.
Der wichtigste Unterschied zwischen
hedonistischen und religiösen Ethiken liegt darin, dass alle Religionen zum
Teil auch destruktive unangenehme Gefühle sowie destruktiven Lustverzicht zu
grundsätzlichen Zielen menschlichen Handelns machen. Zölibat, Scheidungstabu,
übertriebenes Fasten, Schächten, viele Sexualtabus und Frauenunterdrückung sind
Beispiele für überwiegend destruktive Verhaltensregeln, die häufig mit
destruktivem Leid verbunden sind. Für die masochistisch wirkende Vorliebe für
unangenehme Gefühle gibt es vor allem drei Gründe.
Erstens liegen wissenschaftliche, z. B. logische, Fehler vor. Fast alle
Religionsstifter waren weder überhaupt Wissenschaftler noch wissenschaftlich
auf dem neuesten Stand.
Zweitens dienen oder dienten diese Fehler z. T. der Erhaltung des Systems. Der
islamische Verzicht auf Schweinefleisch schützte einstmals vor dem Befall mit
Trichinen. Die pauschale Unterdrückung von Sexualität schützte u. a. vor der
Übertragung von Infektionskrankheiten.
Das Fasten (Hungern) hat eine Unmenge von
konstruktiven Folgen: Verlängerung der Lebenserwartung, Prophylaxe von Krebs,
Diabetes, Übergewicht usw.
Die Verherrlichung des Lustverzichts
schützte generell vor exzessiven schädlichen Übertreibungen des Genusses.
Der Konflikt zwischen Streben nach Glück
und Systemerhaltung (Arterhaltung) spielt, wie schon angesprochen, bei der
menschlichen Selbststeuerung, insbesondere bei Steuerungsfehlern, eine
herausragende Rolle. Deshalb wollen wir ihn hier noch etwas näher beleuchten:
Während in allen religiösen Paradiesen angeblich
nach dem Tode ein Gott oder eine ähnliche ideelle Instanz die Erhaltung des
Systems für die Menschen übernimmt, müssen sie auf Erden sinnvolle Kompromisse
zwischen Selbsterhaltung und Glücksstreben finden. Dies haben
alle Religionen und alle ethischen Konzeptionen versucht, dabei aber erhebliche
Fehler gemacht.
Diese Fehler beruhen vor allem darauf, dass
sie die eigene Verwissenschaftlichung und Reformen in der Regel bekämpfen.
1. Sie ersetzen die arterhaltenden Funktionen
der Sexualfeindlichkeit z. B. nicht durch die Anwendung von Kondomen,
Antibiotika, rationaler Selbststeuerung usw.
2. In ähnlicher Weise haben die meisten
Religionen Frauenfeindlichkeit, rassistische Hetze (z. B. Antisemitismus,
Antiamerikanismus), Scheidungstabus, Schöpfungstabus usw. gegen konstruktive
aufklärerische Kräfte verteidigt.
3. Es gibt auch konstruktives Leid, welches dem Erleben von angenehmen Gefühlen
dient und daher zu Recht von Religionen (allen Ethiken) befürwortet wird.
Es ist aber oft sehr schwierig, zwischen
konstruktivem und destruktivem Leid zu unterscheiden. Der Zölibat z.B.
erscheint den meisten Menschen als ein unnötiger Verzicht auf Liebe und
Sexualität. Gleichzeitig könnte er aber auch konstruktiv wirken, indem er die
Zahl und Macht religiöser Kräfte vermindert. Dies dürfte zu Zeiten der
Inquisition tatsächlich so gewesen sein. Heute leisten viele katholische
Pfarrer wahrscheinlich mehr Positives als Negatives. Dies kann man andererseits
von ihren Vorgesetzten nicht immer behaupten.
Alle Religionen verdanken sogar ihre Existenz hedonischen Motiven.
Religionen sind vor allem entstanden, um ein unangenehmes Gefühl, nämlich
Angst, zu verringern. Um die Angst vor dem Tod zu bewältigen, erfanden fast
alle Religionen ein Leben nach dem Tode. Um die Angst vor allen Bedrohungen zu
vermindern, erfanden sie die Beseeltheit der Natur. Mit Aberglauben und Magie (Gebeten,
Opfern usw.) glauben sie irrtümlich, die angeblich beseelten Gefahren bzw.
gefährliche Gegenstände und Prozesse beeinflussen zu können. Der Glaube an ein
Leben nach dem Tode ist sogar mit Einschränkungen, z. B. soweit er nicht eine
bessere Lösung des Sterblichkeitsproblems verhindert, ein konstruktives und
damit hedonistisches Ziel. Er verschafft fiktive Freude (Träume und Opium für
das Volk) und vermindert Ängste.
Wir sehen keinen Grund Moses, Mohammed,
Jesus, Luther, der gegenwärtigen Mehrheit, dem Aberglauben und dominierenden
religiösen Scheinautoritäten mehr zu vertrauen als Epikur, Bentham, der
menschlichen Natur, der wissenschaftlichen Vernunft, der Logik und dem gesunden
Menschenverstand.
Die ideologische Umweltverschmutzung
Moses (und all seine religiösen Vorläufer, Nachfolger und
Konkurrenten) haben zur Verbesserung der menschlichen Selbststeuerung den
ungeregelten Katastrophator (auch Nocturnisator, manchmal sogar Satanisator)
erfunden (Christenverfolgungen, verfolgende Christen, Religionskriege,
Inquisition und so weiter). Dieses Gerät hat sich auf dem europäischen,
afrikanischen, australischen und amerikanischen Kontinent sehr gut verkauft.
Der geregelte Paradisator (auch Hedonisator) von Epikur, Locke, Bentham und
Mill hatte geringere Erfolge.
Ein im
Nachhinein durchgeführter und deshalb nicht ganz sicherer Intelligenztest und
Vergleich kommt zu dem Ergebnis, dass J. St. Mill möglicherweise der
intelligenteste bekannte Mensch überhaupt war (Details in dem Buch „Bildung“
von Dietrich Schwanitz). Es charakterisiert die Menschheit, dass sie nicht die
Klügsten zu ihren Führern wählt. Häufige Auswahlkriterien für politische
Führungskräfte sind: Charisma, propagandistische Fähigkeiten,
Durchschnittlichkeit, Körpergröße und Machtgier, leider nur selten Altruismus.
Meistens wurde gar nicht gewählt, sondern es setzten sich z. B. machtgierige,
parasitäre Führer mit Gewalt durch.
Der Hedonismus in der Kritik
Die hedonistischen Ethiken wurden und werden, wie alle
Konkurrenzideologien, vor allem von religiösen Moralmonopolisten, z. T. mit
Lügen, bekämpft und verteufelt, um die eigenen Ideologien und Pfründe zu
bewahren. In menschlichen Lexika kann man folgende (Diffamierungs)Definition
für „Hedonist und Epikureer“ wörtlich finden: „Jemand, der die materiellen
Freuden unbedenklich genießt.“ Epikur und alle philosophischen hedonistischen
Konzeptionen haben jedoch, wie gesagt, von unbedenklichen, wilden,
ausschweifenden, kurzfristigen Genüssen abgeraten und nicht „nur
materielle Freuden“ verherrlicht. Unbedenklicher Genuss widerspricht
hedonistischem Denken, da er häufig Freude zerstört (Lebensqualität
verringert).
Die angesprochene, nicht nur
religiöse, Verlogenheit zu entlarven und konstruktive Ethik zu verbreiten,
gehört zum Sinnvollsten, was Menschen tun können. Dabei empfehlen wir
Verständnis für Priester und Religionslehrer, die sich zum (größten?) Teil an
diesen Verteufelungsaktionen beteiligen. Viele von ihnen haben Epikur, Bentham,
Mill usw. selbst nie gelesen, sondern leider nur die bewussten
Falschdarstellungen ihrer Vorgesetzten und Vorgänger. Hier liegt wieder einmal
ein Kardinalfehler vor!
Scheinbar vernünftige Argumente gegen den Hedonismus kommen aber nicht nur aus
religiösen, sondern aus fast allen philosophischen Lagern. Eines der wichtigsten
Argumente ist die Behauptung, dass der Hedonismus das Problem der Definition
von Glück nicht bewältigen könne und dass er wenig brauchbar sei, weil
verschiedene Menschen verschiedene Glücksvorstellungen haben. Manche streben z.
B. nach Liebe und Reichtum, andere nach Macht und Geborgenheit. Manche erleben
Freude an dem, was andere als Leid empfinden. Dies gilt z. B. für Vergewaltigen
und vergewaltigt werden.
Diese Argumentation ist, wie sich leicht
begründen lässt, irrational.
Bevor wir in die eigentliche Argumentation einsteigen, müssen ein paar
grundsätzliche Probleme klären.
Das Problem der Systemerhaltung
Wir hatten oben gefordert, dass
eine Ethik nur ein Ziel, nämlich möglichst hohe Lebensqualität, haben sollte.
Nun könnte man einwenden, dass die Erhaltung des Systems (der Menschen und
aller emotionsfähigen Lebewesen) unausweichlich auch ein Ziel jeder Ethik sein
muss und deshalb mindestens 2 Ziele vorliegen. Dieser Gedanke ist weder ganz
richtig noch ganz falsch.
In der Forderung nach Lebensqualität ist die Forderung nach der Existenz
von Wesen, die Lebensqualität erleben können enthalten. Die Ziele jeder
Ethik können nur erreicht werden, wenn es emotionsfähige Systeme, wie z. B.
Lebewesen, gibt, die Ziele haben und erreichen. Möglichst viel Lebensqualität
kann es nur geben, wenn es viele emotionsfähige Lebewesen gibt.
Wie viele Lebewesen es jedoch geben soll,
bzw. wie hoch die Bevölkerungsdichte sein soll, ist eine schwierige und sehr
bedenkenswerte Frage.
Sicher ist der ungebremste Aufruf fast
aller Religionen zur Vermehrung falsch. Ebenso sicher sind die
Bevölkerungsdichten in üblichen Slums, auf dem heutigen Mars und auf der Erde
vor 1 Million Jahren nicht optimal. Was jedoch die jeweils richtige
Bevölkerungsdichte ist hängt sehr dynamisch von allen jeweils herrschenden
Umweltbedingungen, vor allem aber von der höchsten möglichen
Lebensqualität ab. Mit anderen Worten: Die Lebensqualität ist das Maß, das über
die Zahl der Individuen entscheiden
muss, weil diese Zahl die Lebensqualität kausal beeinflusst. Sehr hohe
Bevölkerungsdichten können z. B. Nahrungsmangel, Stress usw. hervorrufen, sehr
niedrige Bevölkerungsdichten vermindern nützliche symbiotische und ökonomische
Wirkungen.
Jede Ethik muss also das Ziel enthalten, ihre Schöpfer und Anwender zu
erhalten.
Dennoch erhält der Wert Systemerhaltung eine gewisse
Eigenständigkeit. Er unterscheidet sich aber nicht grundsätzlich von allen
anderen Werten, die der Lebensqualität untergeordnet werden müssen (s. o.).
Freiheit zu gewähren ist immer dann sinnvoll, wenn dies der höchstmöglichen
Lebensqualität dient. Genauso ist die Erhaltung jedes emotionsfähigen Systems
nur dann ein sinnvolles Ziel, wenn es eine positive emotionale Bilanz erlebt,
erleben wird oder herbeiführen wird.
Dieser Gedanke beinhaltet etwas
besonderes, was bei allen anderen Werten nicht auftritt: Wenn die absolute
Gewissheit besteht, dass ein emotionsfähiges System, wie z. B. die Menschheit,
eine negative Gefühlsbilanz aufweist und aufweisen wird, besteht die Pflicht zur
Beseitigung dieses Systems. Glücklicherweise? spricht alles dafür, dass diese
Gewissheit niemals auftreten wird. Dennoch sollte man sich darüber klar sein,
dass die Vernichtung der Menschheit eine ethische Pflicht werden kann, wenn man
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen kann, dass das Wirken der
Menschheit destruktiv ist und bleibt.
So wie der
Selbstmord eines Menschen im Einzelfall konstruktiv sein kann, kann das auch
jeder kollektive Selbstmord, gleichgültig wie viele Gruppenmitglieder dabei sterben
oder was Religionen dazu sagen.
Man kann die Problematik auch als
kollektives Sterbehilfeprinzip bezeichnen. Die Pflicht zu Töten und das Recht
zu sterben liegen nicht nur bei einem todgeweihten, leidenden alten Menschen
vor, der um Tötung bittet. Es spielt keine Rolle, wie groß die Zahl der
leidenden Individuen ist. Im Sinne des konstruktiven Hedonismus ist es nicht
einmal nötig, dass diese Individuen um Tötung bitten.
Ganz gewiss besteht auch die Pflicht, eine
antihedonische Menschheit zu vernichten, wenn diese ein anderes konstruktives
System (außerirdische prohedonische Intelligenzen) zu vernichten versucht.
Wem das alles gegen seinen ethischen Strich
geht, mag sich darüber klar werden, das Stauffenberg Symbol und Modell für den
Tötenden ist und Hitler für die Getöteten. Menschen oder das irdische Leben
sind nicht das Gute und Erhaltenswerte an sich! Menschliche Geister werden
lediglich so manipuliert, dass sie dies glauben.
Widmen wir uns nun noch einem weiteren
wichtigen Zusammenhang zwischen Systemerhaltung
und Emotionalität: Menschen und die meisten Tierarten sind so konzipiert,
dass sie nur dann langfristig überleben, wenn sie eine Vielzahl von Gefühlen
und Zielen haben und verfolgen. Sie müssen z. B. Nahrung aufnehmen, sich
fortpflanzen, spielen, sich bewegen, um Rangplätze kämpfen usw. All diesen
Antrieben sind unangenehme und angenehme Gefühle (Motivationen) und angeborene
Programme zugeordnet. Diese Programme und Gefühle sind entstanden, weil sie,
zumindest in der ursprünglichen Natur, für das Überleben sehr nützlich sind.
Alle Individuen und Tierarten, die diese angeborenen Programme (oder
Lernprogramme) nicht besaßen, wurden verdrängt oder sind sogar ausgestorben. Besonders
erfolgreich sind Tierarten, die ihre angeborenen Programme durch Lernen und
Einsicht beeinflussen können. Diese Fähigkeiten dienen der Feinregulation des
Verhaltens. Sie wurden besonders von Vögeln und Säugetieren, und ganz
herausragend vom Menschen, entwickelt.
Die meisten Menschen glauben, dass die Freiheit von starren angeborenen
Programmen besonders menschlich und erhaltenswert ist. Sie ist, wie wir an
anderer Stelle erläutert haben, jedoch Fluch und Segen zugleich. Ob sie also
unter allen Bedingungen in der Zukunft erhalten werden sollte, gehört zu den
schwierigsten ethischen Fragen und Entscheidungen. Eine Veränderung dieser
freiheitlichen Vielfalt kann mit Sicherheit aus hedonistischer Sicht nicht als
grundsätzlich falsch bezeichnet werden.
Die Grenzen der Leistungsfähigkeit einer Ethik
Eine
Ethik, deren Ziel oder Ziele alle vollständig erreicht werden, existiert
wahrscheinlich grundsätzlich nicht. (Vielleicht existiert sie in einer fiktiven
Welt, in der es totale Informiertheit und keine Umweltveränderungen gibt [die
ideale Gesellschaft]). Selbst wenn es eine optimale Ethik gäbe, könnten die
gegenwärtigen Menschen sie nicht umsetzen. Wir wollen einige Gründe für dieses
Dilemma kurz beleuchten:
Für eine optimale Selbststeuerung müssten Menschen perfekt informiert sein und
Informationen perfekt verarbeiten können. So etwas ist wahrscheinlich
prinzipiell unmöglich.
Paradoxerweise
ist es gleichzeitig sogar so, dass menschliche Lebensqualität oft auf
unvollständiger Informiertheit beruht. Kartenspiele werden langweilig, wenn man
alle Karten in den Händen aller Spieler kennt. Die meisten menschlichen Ehen
würden unglücklicher oder geschieden, wenn alle menschlichen Seitensprünge, die
wirklichen Vaterschaften, alle Eigenschaften der Partner usw. bekannt würden.
Ethischer Probabilismus (probabel =wahrscheinlich)
Aus dem Gesagten geht hervor, dass es eine perfekte Ethik nicht gibt. Daraus
ziehen manche Menschen den Schluss, dass eine Diskussion über menschliche
Selbststeuerung nicht nötig und nicht konstruktiv sei. Dies ist ein fataler
Irrtum. Es ist grundsätzlich immer falsch, auf Verbesserungen zu verzichten,
nur weil und wenn ein Optimum nicht erreicht werden kann. Das Ziel aller
ethischen Diskussionen ist daher nicht die absolut richtige Ethik, sondern die
Suche nach der jeweils besten unter allen möglichen Ethiken für alle möglichen
gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaften. Die Entwicklung und Verbreitung
der derzeit besten Ethik für die Menschheit würde die menschliche
Lebensqualität erheblich verbessern. Deshalb ist es zweifelsfrei sinnvoll, sie
anzustreben und anzuwenden.
Wir werden im Folgenden beweisen, dass der konstruktive Hedonismus die oben
geschilderten grundsätzlichen Probleme besser bewältigt als jede andere
ethische Konzeption und dass er am wenigsten innere Widersprüche aufweist.
Zunächst stellen wir die häufigsten Kritiken menschlicher Philosophen und so
genannter Religionswissenschaftler zusammen. Dazu haben wir den folgenden Text
aus menschlicher Literatur (von „Das große DATA BECKER Lexikon 2001“ [ansonsten
übrigens durchaus zu empfehlen]) wörtlich übernommen.
„Aus ethischer
Sicht problematisch ist die z. T. biologische Begründung von Lust oder
Unlustgefühlen. Strebt der Mensch ohnehin nach der Lust, so braucht man die
Lust nicht als eine moralische oder ethische Zielvorstellung aufzustellen. Ein
weiteres Problem stellt die Definition von Glück, Lust oder Unlust dar, da
individuelle Vorstellungen hier stark divergieren. So kann die Lust eines
Individuums die Verletzung anderer Individuen bedeuten, ein Dilemma, das der
Hedonismus nicht zu lösen vermag.
Das Christentum hat das Streben nach Glück mit bestimmten Korrektiven, z. B.
der Nächstenliebe oder den Geboten, versehen, um die asozialen Komponenten des
Glücksstrebens zu vermeiden.“
Diese
Kritiken wollen wir im Folgenden kritisieren:
Wir beginnen mit dem letzten Satz:
Solche Korrektiven (positive Kontrollen) sind natürlich sehr vernünftig. Der
Kritiker hat allerdings übersehen, dass der konstruktive Hedonismus solche Korrektiven
auch kennt. Genauer gesagt ist er durch bessere Korrektiven
charakterisiert und definiert. Der wichtigste Unterschied zwischen christlicher
und konstruktiv hedonistischer Ethik besteht darin, dass die hedonistischen Korrektiven wissenschaftlich durchdacht und deshalb allen
religiösen überlegen sind. Das Glück der größten Zahl wird eben gerade dann und
dadurch erreicht, dass Individuen in bestimmten Situationen konstruktiv auf
Lust oder Quälen verzichten. (Details unten).
Darüberhinaus
können, wie wir u. a. im Kap. 6 gezeigt haben, alle christlichen Korrektive (Gebote
einschließlich der Nächstenliebe usw.) zu asozialen Wirkungen führen. Sogar zuviel Vergebung und Nächstenliebe haben schon
billionenfach als Dünger für Kriminalität und Parasitismus gewirkt.
Als
Nächstes nehmen wir uns den ersten und dann die übrigen folgenden Sätze vor:
„Aus ethischer
Sicht problematisch ist die z. T. biologische Begründung von Lust oder
Unlustgefühlen.“
Schon
aus dem oben Geschilderten ergibt sich, dass aus ethischer Sicht die nichtbiologische
Begründung von Lust oder Unlustgefühlen problematisch ist und auch fast
überhaupt nicht existiert.
Die
Kritik an biologischen Begründungen beruht auf irrationalen arroganten
Selbstverherrlichungen. Es ist diese Arroganz, die primär bewirkt, dass
religiöse Ethiker nicht bemerken, dass auch ihre ethischen Ziele fast alle emotionaler Natur sind und auf biologischen arterhaltenden
Programmen und Gefühlen beruhen.
Um sich Ähnlichkeit mit Gott einreden zu können, redet sich der Mensch
Ähnlichkeit mit Tieren aus. Tatsächlich ist der Mensch jedoch Tieren ähnlich
und Gott unähnlich und nur aus seiner historischen und prähistorischen
Entwicklung zu verstehen. Wie Menschen zu ihrer arroganten Distanz zu ihrer
tierischen Natur gekommen sind, ist an anderer Stelle erläutert.
(Eine gewisse
Gottähnlichkeit muss man der Menschheit allerdings bescheinigen: Beide haben
anscheinend keine Probleme bei der Betrachtung (Erzeugung?!) von grauenhaftestem
Leid auf diesem Planeten.
Richtig ist, wie oben ebenfalls schon angesprochen, dass neue
Gesellschaftsbedingungen Veränderungen der biologischen Basisprogramme erfordern.
Die beste Selbststeuerung ist eine Mischung aus den konstruktivsten alten und
neuen Programmen.
„Strebt der
Mensch ohnehin nach der Lust, so braucht man die Lust nicht als eine moralische
oder ethische Zielvorstellung aufzustellen.“
Diese Aussage spiegelt das geistige Niveau ihrer Schöpfer (oder ihre religiöse
Befangenheit) besonders deutlich wider. Sie selbst haben lustfeindliche Kulturen
geschaffen und wundern sich, wenn dann Lust ausdrücklich zum konstruktiven Ziel
erklärt wird.
Alle ethischen Konzeptionen, also auch die dieser Schöpfer, enthalten viele
hedonische, also scheinbar überflüssige Ziele. Diese Kritiker können also
offenbar nicht nur andere, sondern vor allem sich selbst, nicht qualifiziert
kritisieren (erkennen). Hedonische Ziele entsprechen der -nur in Maßen
veränderbaren- biologischen Natur des Menschen. Deshalb konnten sich Ethiken
mit besonders wenig hedonischen Zielen (Askese, Puritanismus usw.) nie
allgemein und langfristig durchsetzen.
Der Mensch und die Lust existieren nicht. Menschen und
menschliche Lüste sind, wie diese merkwürdigen Kritiker im folgenden Satz ihrer
Kritik selbst bemerken, sehr verschieden.
Insbesondere
gilt, dass kein Mensch bei seiner Geburt irgendeine Lust voll entwickelt hat.
Es ist deshalb unbedingt notwendig, Menschen so zu sozialisieren, dass alle
Lüste (alle prohedonischen Empfindungsmöglichkeiten) in den unter den
jeweiligen Gesellschaftsverhältnissen günstigsten Maßen und Qualitäten erworben
werden. Z. B. müsste sexuelle Unterdrückung beendet und die Freude bei
altruistischem Verhalten stärker gefördert werden.
„Ein weiteres
Problem stellt die Definition von Glück, Lust oder Unlust dar, da individuelle
Vorstellungen hier stark divergieren.“
1. Dies
ist ein Problem aller Ethiken mit Ausnahme des konstruktiven
Hedonismus. Nichts zeigt dies deutlicher als ungezählte ideologische Konflikte
und Fehler: Religionskriege, ideologische Ausbeutung, Rassismus und unzählbare andere
ideologische Steuerungsfehler und Widersprüche.
Der
konstruktive Hedonismus ist die Ethik, welche die klarste Definition für Glück
(Lebensqualität), die klarsten Regeln und die besten (konsisitentesten) Konfliktvermeidungsrezepte
vorweist. Die Definition wird in diesem Bericht u a. oben geliefert, Prophylaxe,
Therapie und Auswege vor allem im Kap. 16.
Ein besonderes Problem entsteht dadurch, dass der menschliche Freiheitswahn und
alle vorherrschenden Ethiken die Entstehung von Lustgefühlen bei antihedonischem
Verhalten zulassen.
Das Divergieren der individuellen Vorstellungen von Lust und Unlust ist z. T.
sehr konstruktiv und z. T. absolut destruktiv, also vermindernswert.
Die
vorherrschenden Ideologien der westlichen Welt, insbesondere der christlichen,
kritisieren (s. o.) die Widersprüchlichkeit (Vielfalt, Verschiedenheit) und
verherrlichen Sie gleichzeitig. Leider tun sie dies nicht konstruktiv
systematisch sondern eher chaotisch inkonsistent. In sich vielfältig und
widersprüchlich sind alle vorherrschenden Ideologien gerne.
Die
abendländische Hauptstromideologie begründet z. B. ihren Kampf gegen pränatale
Implantationsdiagnostik, Abtreibung von Behinderten usw. u. a. mit der hohen
ethischen Bewertung von Vielfalt.
Vielfalt
(Freiheit, Toleranz) verherrlicht die christlich abendländisch Welt öffentlich
generell, wenn es um ethische Werte, bzw. Denken überhaupt, geht (s. u.
„Pluralismus“ und „Relativismus“).
Intolerant
bekämpft sie dennoch gerne heimlich die Vielfalt der anderen Idelogien.
Der
konstruktive Hedonismus fordert eine spezifische Verminderung ethischer
(ideologischer) Beliebigkeit und löst dadurch als einzige Ethik auch dieses
Problem, besser als jede andere.
Keine menschliche Ethik (oder Wissenschaft) hat keine Probleme bei der
Definition ihrer Inhalte. Begriffe wie Seelenheil, Würde, Tugend usw. werden
sogar, z. T. willentlich, nicht oder unklar definiert, bzw. als unklare
Definitionen gebraucht. Alle Werte aller Ethiken divergieren sowohl
innerhalb einer als auch zwischen verschiedenen Ethiken. Das trägt dazu bei,
dass sich weit über 99,99999 % aller Menschen nicht immer an die Gebote
ihrer Religion oder Ethik halten. Auch der konstruktive Hedonismus ist, wie
alle anderen Ethiken, nicht perfekt aber am besten.
Emotionale
Vielfalt gehört zum Wesen des Menschen und ist unter den gegebenen kulturellen
und genetischen Bedingungen Voraussetzung für sein Leben und seine Lebensqualität.
Die Kritik an der Vielfalt und Widersprüchlichkeit von Gefühlen (im Hedonismus)
entspricht der Kritik an der Vielfalt geometrischer Figuren in der Geometrie. Euklid, Riemann, Einstein, Hawking u. a. haben die
mathematischen Regeln, die alle bekannten existierenden geometrischen Körper
beschreiben, entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass es allgemeine mathematische
Regeln gibt, mit deren Hilfe die Beschreibung und Berechnung all dieser Körper
widerspruchsfrei möglich ist. Würde man die Vielfalt der realen Körper aus
Harmoniesucht verringern, würde man möglicherweise falsche Regeln entwickeln
und nur Teile der Welt beschreiben und berechnen können. (So etwas ist allen
Religionen auf allen Gebieten tatsächlich gelungen). Die geometrische
Beschreibung der Welt wurde sogar deshalb immer weiter verbessert, weil man
immer mehr Körper (vor allem runde und solche höherer Dimensionen) in die
Berechnungen einbezog. Die einfachen geometrischen Regeln symbolisieren eine
Ordnung die, unabhängig von der Existenz des Menschen, zum Wesen der Welt
gehört. Der Mensch und seine (ethische) Selbststeuerung sind genauso Teil
dieser Welt, wie alle anderen geometrischen Strukturen. Für alle
sozialen Erscheinungen gelten die Ordnungen und Regeln der Physik deren
Wesen übrigens die Struktur vierdimensionaler Körper ist. Da soziale
Systeme jedoch komplexer sind als Dreiecke und Würfel, gelten für ihre
Berechnungen auch zusätzliche komplexere Regeln und (für Menschen) eine größere
Ungenauigkeit der Berechnungen. Die wichtigsten dieser Regeln liefern Mathematik,
Logik und Naturwissenschaften und der konstruktive Hedonismus wendet sie (und
nur sie!) an.
Nicht
die konstruktive Vielfalt schafft die unlösbaren Probleme, sondern die
mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit aller (religiösen) Ethiken, diese
Vielfalt, wie in der Geometrie, zu ordnen, objektiv zu gewichten und nach diesen
wissenschaftlichen Regeln zu entscheiden.
Der
konstruktive Hedonismus schafft ein klares Ordnungsgefüge, indem er von nur einem
klar definierten absoluten Wert ausgeht. Alle anderen Ethiken sind destruktiver
und widersprüchlicher, weil sie mehr als einen Wert verabsolutieren und klare
Definitionen und Regeln überwiegend ablehnen.
2. Der Hedonismus befürwortet und fordert, wie übrigens auch alle
anderen Ethiken, große Teile der menschlichen Vielfalt. Menschen können ohne
eine gewisse biologisch natürliche Vielfalt weder überleben noch möglichst glücklich
leben.
Zölibat, Scheidungstabu, Kondomtabu,
Frauenfeindlichkeit usw. sind Beispiele für destruktive Versuche, einen Teil
der hedonischen Vielfalt zu beseitigen.
Weniger
engagiert als bei der Verbreitung dieser Tabus haben sich alle Religionen gegen
verschiedene destruktive Formen emotionaler Vielfalt gewendet.
Rassismus, Sadismus, Folter, Terror z. B.
wurden oft sogar gefördert statt unterdrückt.
3. Niemand hat unnötig mehr zu dem bestehenden schädlichen Übermaß an Vielfalt
beigetragen als alle Vertreter aller Ethiken, die den (konstruktiven)
Hedonismus kritisieren und bekämpfen.
Diese
Vertreter bestimmen die Grundwerte und Richtlinien menschlichen Verhaltens.
Dadurch verursachen sie wahrscheinlich die meisten Veränderungen des
menschlichen Verhaltens im Vergleich zu tierischem Verhalten. In der Tierwelt
existiert ein artschädigendes Übermaß an Vielfalt, wie Sadismus und Rassismus,
fast überhaupt nicht.
4. Die Existenz von mehreren Formen des Glücks ist biologisch nützlich
(arterhaltend) und macht ethische Probleme nicht unlösbar.
„So kann die
Lust eines Individuums die Verletzung anderer Individuen bedeuten, ein Dilemma,
das der Hedonismus nicht zu lösen vermag.“
Die Probleme der Vielfalt und Gegensätzlichkeit gelten für jede ethische
Konzeption. Sie gelten sogar für jede andere menschliche ethische Konzeption
stärker als für den konstruktiven Hedonismus.
So
können Glaube, Liebe und Hoffnung eines Individuums Glaube, Liebe und Hoffnung
eines anderen verletzen. Das ist ein Problem, das die christliche Ethik geistig
kaum überhaupt zu lösen versucht. (Viele Beispiele für innere
Widersprüche religiöser Ideologien finden sich u. a. im Kap. 4). Man muss
besonders dem Katholizismus allerdings zu“gute“ halten, dass er Gegensätzlichkeit
und Vielfalt materiell manchmal ganz massiv bekämpft hat (Kreuzzüge,
Inquisition, 30jähriger Krieg usw.).
Das häufigste ethische Problem ist die Lösung eines Konflikts. Für die Lösung
des Konflikts ist es oft völlig unbedeutend ob zwei gleiche oder zwei
verschiedene Bedürfnisse den Konflikt verursachen.
Wir
machen die Problematik der Konfliktlösung an folgendem Beispiel deutlich: Ein
Ehepartner wünscht die Scheidung, weil er eine dritte Person liebt. Der andere
Ehepartner verweigert die Scheidung, weil er seinen Ehepartner liebt (gleiche
emotionale Motive).
Es
kann andererseits sein, dass ein Ehepartner die Scheidung wünscht, weil er sich
nur noch um seine Karriere kümmern will, während der andere die Scheidung
verweigert, weil er weiterhin materiell versorgt werden will (nur scheinbar
ähnliche Motive).
In beiden (allen)
Fällen müssen alle Gefühle aller Beteiligten gewichtet werden und so
entschieden werden, dass die Lebensqualität aller Beteiligten möglichst hoch
ist.
Das
ist die einfachste Grundregel des konstruktiven Hedonismus, die (im Gegensatz
zu allen Regeln aller Konkurrenzethiken) die geistig argumentative Lösung
nahezu jedes ethischen Konfliktes möglich macht.
Die
Verschiedenheit der Gefühle schafft offenbar nicht unbedingt ein unlösbares
zusätzliches Problem bei der sinnvollen Regulation menschlichen Verhaltens.
Im konstruktiven Hedonismus ist es
möglich, die Richtigkeit jeder ethischen Entscheidung allgemeinverbindlich zu
belegen, weil ein für alle gültiger definierter einziger Wert und für alle
gültige formale Regeln (Logik, Mathematik usw.) vorliegen.
Ein
Teil dieser Entscheidungen führt, wie in jeder Ethik, aber seltener als in
allen anderen Ethiken, nicht zum Ziel, also zur höchsten möglichen
Lebensqualität aller Beteiligten. Das beruht aber nicht auf vermeidbaren
Fehlern in der Konzeption, sondern auf informatorischen Defiziten und auf
grundsätzlichen Systembedingungen. Machen wir uns zunächst die informatorischen
Probleme an einem Beispiel deutlich:
Auch
der beste Doppelkopfspieler erreicht sein Ziel, den -auf Grund der jeweiligen
Kartenverteilung möglichen- Spielgewinn, nicht immer, weil er nicht die
Verteilung aller Karten kennt und seine Kenntnisse nicht perfekt nutzen kann.
Jede seiner Entscheidungen ist aus seiner Sicht nur mit begrenzter
Wahrscheinlichkeit richtig.
Das gilt nach Popper für jede, also auch für ethische, Entscheidungen. Keine
ethische Entscheidung im Universum beruht, beruhte oder wird wahrscheinlich
jemals auf optimaler Informiertheit und optimaler Informationsverarbeitung
beruhen.
Diese Problematik ist sehr wichtig. Deshalb wollen wir sie an einem weiteren Beispiel
verdeutlichen.
Nehmen
wir an, es lebten nur noch zehn Menschen, die, um die Menschheit zu erhalten,
also um sich fortzupflanzen, in einer stürmischen Nacht in einem Ballon über
eine Gebirgskette gelangen müssen. Nur hinter den Bergen befinden sich
Gebiete, in denen Landwirtschaft betrieben werden kann und Fortpflanzung und
Überleben möglich sind. Der Ballon kann die Gebirgskette nur überwinden, wenn
das Gewicht im Korb deutlich verringert wird. Mindestens eine Person muss den
Korb verlassen. Es werden alle Argumente gesammelt. Hier sind einige Beispiele.
Für den Dicksten spricht sein Gewicht. Gegen die einzige Frau spricht die
Chance auf Fortpflanzung. Gegen den einzigen Arzt spricht sein Vermögen, das
Leben aller zu erhalten. Zwei Männer, Nero und Adolf, verstehen sich auf die
Jagd und haben Erfahrungen im Führen von Gruppen. Schließlich entscheidet man
sich für (gegen) den Ältesten, Michael G.
Dies
führt zum Zerschellen des Ballons an einem Berggipfel.
Hätte
den Dicksten gewählt, obwohl er am meisten von Landwirtschaft verstand, hätte
man die Bergkette überwunden.
Dann
aber hätte später ein Gruppenmitglied (Nero?) das gesamte Dorf anzündet, was
zur Vernichtung aller Nachkommen geführt
hätte.
Selbst
wenn man Nero beseitigt hätte, hätten später Adolfs Nachfahren die Menschheit
in grauenhafte Völkermorde geführt.
Fast
alle Zukünfte bringen viel Leid durch Folter, Kriege,
Parasitismus usw., weil der Russe Michael G. seine konstruktive reformerische
Ethik nicht an die Nachkommen weitergeben konnte. Man hätte Nero und Adolf auch
gegen deren Willen aus dem Korb werfen müssen.
Dieses Beispiel macht folgendes deutlich:
1. Die meisten menschlichen Ethiken versagen bei diesem Problem. Alle, die, wie
z. B. die christliche Ethik, das Tötungstabu verabsolutieren, bewirken in
unserem Beispiel den vollständigen Untergang der Menschheit. In der menschlichen
Realität starben durch solche Fehler allerdings „nur“ vielleicht 100 Millionen
Menschen.
Hitler wurde von einem humanen? oder nationalistischen? Richter nach neun
Monaten vorzeitig aus einer mehrjährigen Haftstrafe entlassen. Diese ethische
Entscheidung hat möglicherweise 50 Millionen Menschen das Leben gekostet.
Vielleicht hat sie auch 100 Millionen Menschen, die Hitler im Besitz von
Atomaffen hätte töten lassen, wenn er seinen Wahnsinn erst einige Jahre später
hätte beginnen können, das Leben gerettet.
Dies können wir als ein weiteres Beispiel dafür auffassen, dass die Anwendung
irrational erscheinender Ethiken und Regeln sich als konstruktiv erweisen kann.
(Erfolgreich heißt, dass vernünftige Ziele, gleichgültig welcher Ethik,
erreicht werden.). Dies entspricht dem Erfolg eines schlechten
Doppelkopfspielers, der eine Karte zieht, die mit z. B. neunzigprozentiger
Wahrscheinlichkeit zu weniger Erfolg führt als eine andere. In 10 % aller Fälle
liegt jeder Spieler mit dieser in der Regel falschen Entscheidung richtig. Nach
1000 Spielen ist jedoch der gute Doppelkopfspieler fast immer erfolgreicher als
der schlechte.
Entsprechendes
gilt für ethische Entscheidungen. Deshalb kann die höchste mögliche
Lebensqualität langfristig fast immer nur erreicht werden, wenn möglichst
intelligente Menschen sich so gut wie möglich informieren und stets die wahrscheinlich
konstruktivsten Entscheidungen fällen, auch wenn sie nur mit begrenzter
Wahrscheinlichkeit den hedonischen Erfolg voraussagen und erreichen können.
Das absolute Ziel des Hedonismus kann wahrscheinlich nicht immer das Glück aller sein. Das Glück und die
Existenz der Menschheit können durch das Unglück (oder die Nichtexistenz) von
Menschen entstehen. Jesus, viele Märtyrer, Galilei usw. sind mögliche reale
Beispiele, die diese Problematik verdeutlichen. Der Hedonismus muss das Glück
möglichst Vieler anstreben. Dieses Streben beinhaltet automatisch, dass in der
Zukunft ein Zustand angestrebt und erhalten wird, in dem das Erreichen des
Glückes aller möglich wird.
Das Ballonbeispiel oben macht deutlich, dass alle ethischen Entscheidungen
probabilistisch sind. Man beachte, dass die vollständige Vernichtung der
Menschheit aus der Sicht vernunftbegabter Außerirdischer konstruktiv erscheinen
kann. Diese Vernichtung kann möglicherweise mit der Vernichtung aller
Aids-Viren oder des menschlichen Parasitismus durch Menschen verglichen werden.
Die Lösung des Dilemmas, das daraus entsteht, dass die Lust des einen Individuums
die Unlust eines anderen bedeutet:
Individuelles Glück und Leben werden dem Glück und Leben der Gemeinschaft
untergeordnet (behalten aber, im Gegensatz zu kommunistischen Übertreibungen,
einen hohen Stellenwert).
Grundsätzlich
besteht also eine Pflicht jedes Gruppenmitgliedes auf Glück zu verzichten bzw.
Leid in Kauf zunehmen, wenn daduch die höchste
Lebensqualität des jeweils betroffenen Gesamtsystems (Gruppe) erreicht wird.
Das kann sogar auch für Situationen gelten, in denen ein Mensch sein Leben für
das Leben und/oder die Lebensqualität anderer opfern muss (s. Bruce Willis in „Armageddon“
[oder Bruce will es?!] s. auch „Independence Day“).
Es
besteht auch ein Recht, der Gemeinschaft, diese Opfer einzufordern. D. h., die
Gemeinschaft hat i. d. R. das Recht und die Pflicht z. B. ein Flugzeug mit 100
durchschnittlichen Insassen abzuschießen, dass im
Begriff ist in einen Zwillingsturm mit 1000 durchschnittlichen Insassen in New
York zu fliegen.
Noch
wichtiger ist wahrscheinlich das Recht und die Pflicht
der Gemeinschaft, ihre Mitglieder im Sinne dieser Regeln (Opferbereitschaft) zu
erziehen. Skurriler Weise tun dies die meisten Religionen mehr als die
freiheitlich demokratischen, aufklärerischen (oder gar die spassgesellschaftlichen)
westlichen Gemeinschaft der Gegenwart mit ihren partiellen
Indivdualisierungsneurosen.
Selbstverständlich
gelten all diese Regeln nur dann, wenn die Wünsche nach Leben und
Lebensqualität aller Betroffenen berechtigt sind. Wenn z. b. die Leben von 100
Mafiamitgliedern durch den Tod eines Sozialarbeiters gerettet werden können,
dürfte diese Rettung antihedonisch sein.
Die
Frage nach der Berechtigung jeglicher Forderungen dürfte identisch sein mit der
Frage nach langfristigen (vierdimensionalen) Wirkungen menschlicher ethischer
Entscheidungen. Solche Wirkungen sind für Menschen wahrscheinlich grundsätzlich
nicht voraussehbar. Sie müssen sich also immer im Sinne der höheren
Wahrscheinlichkeit (probabilistisch) entscheiden. Sie haben z. B. das Recht und
die Pflicht, ein Flugzeug im obigen Beispiel nicht abzuschießen, wenn durch das
Überleben der 1000 Bewohner des Zwillingsturms eine antihedonischere Zukunft
entsteht als ohne. Weder biologische noch religiöse Tötungstabus können ihnen
aber das Recht geben, sich ihrer Tötungspflicht zu entziehen. Anders ausgedrückt:
Kein Gott, keine
heilige Schrift, kein Religionsstifter und kein Bundesverfassungsgericht hat
das Recht, sich in die konstruktiv hedonistische Selbststeuerung der Menschheit
einzumischen.
Beleuchten
wir noch zwei Problembereiche etwas genauer:
Der
erste entsteht aus der Existenz von destruktiver Lust und destruktiver Unlust.
Beide müssen beseitigt werden. Die grundsätzliche Freude an Vergewaltigungen,
rassistischen Verfolgungen, Morden usw. haben keine Existenzberechtigung.
Das
gleiche gilt für den Ärger oder Ekel bei der Wahrnehmung von fremden Rassen,
bestimmten unschädlichen Gesichtsstrukturen, nackten Menschen usw.
Solange diese destruktiven Wahrnehmungen, Wertungen und die dadurch
entstehenden Handlungen nicht beseitigt sind, muss man ethische Wege finden, um
sie zu bewältigen. Diese Wege gibt es.
Es
sind die Wege, mit deren Hilfe der zweite Problembereich gelöst wird. Der
zweite Problembereich besteht in der Existenz unvermeidbarer, berechtigter
Interessengegensätze. Eine solche Situation kann z. B. auftreten, wenn zwei
Männer die gleiche Frau lieben, wenn in unserem Ballonbeispiel sowohl die Frau
als auch der Arzt nicht abspringen wollen, wenn in einer Familie bei der
Urlaubsplanung die Kinder nach Disneyland, der Vater ans Meer und die Mutter in
die Berge fahren wollen.
Bei jedem ethischen
Konflikt muss die Berechtigung aller Ansprüche geprüft und verglichen werden.
Die
Entscheidung muss zugunsten der Partei erfolgen, deren Ansprüche am berechtigsten
erscheinen. Berechtigung erwächst aus
dem Beitrag zur Gesamtlebensqualität aller Beteiligten.
Destruktive
Freude und destruktives Leid können niemals berechtigt sein. Wenn berechtigte
gegensätzliche Ansprüche zu ethischen Konflikten führen, müssen möglichst
viele, besonders die wichtigsten, Argumente (Informationen) eingeholt und
möglichst gut (intelligent) abgewogen (verarbeitet) werden.
Die
konstruktive hedonistische Ethik führt, im Gegensatz zu anderen menschlichen
Ethiken, in fast jeder solchen Konfliktsituation zu einer klaren Lösung.
Die
einzige Ausnahme stellt eine Pattsituation dar, also ein exaktes Gleichgewicht
zwischen Pro- und Kontraargumenten. Diese äußerst seltenen Fälle müssen und
können durch Losentscheide oder Zufallswahlen entschieden werden.
Die
konstruktive Lösung von ethischen Konflikten wird im Folgenden an einigen Beispielen verdeutlicht:
In einer Partnerschaft wünscht sie Oralverkehr von ihrem Partner, er lehnt das
ab. Beide müssen zunächst die emotionale Bedeutung (Wert), die der orale Akt
für beide hat, möglichst genau deutlich machen. Da Menschen Gefühle nicht exakt
messen können, ist jede Informationsübertragung, die Emotionen zum Inhalt hat,
ungenau.
Dies ist jedoch kein eigentliches hedonistisches, auch keine ethisches, Problem
sondern ein technisches, erkenntnistheoretisches und informationstheoretisches.
Es ist allerdings indirekt ein wichtiges ethisches Problem, weil eine
konstruktive Ethik fordert, es zu verringern und zu beseitigen.
Trotz dieser Probleme gelingt es ehrlichen altruistischen Partnern, wenn es
deutliche Unterschiede zwischen den Intensitäten ihrer Gefühle gibt, eine
Entscheidung zu fällen. Solche Entscheidungen müssen jedoch immer die Zukunft
berücksichtigen, also vierdimensional sein.
Die
Freude der Frau beim Oralverkehr wird sich wahrscheinlich in den nächsten
Jahren wenig verändern. Die Frustration wegen des Verzichts könnte steigen.
Der
Ekel des Mannes kann dagegen abnehmen, wenn er in der Zukunft angenehme Gefühle
bei seinen oralen Handlungen erlebt. Auch könnte ihm die rationale Ablehnung
seiner Ekelgefühle helfen. Sein Ekel wird zunehmen, wenn er Unangenehmes
erlebt.
Eine
altruistische Frau wird sich bemühen, sich mit angenehmen Reizen (Gefühlen) zu
bedanken. Dieser Dank, übrigens ein Konditionierungsreiz, wird sich für die
Lebensqualität beider positiv auswirken. Je stärker die (jede) Ablehnung
des Oralverkehrs ist, desto behutsamer muss i. d. R. die Verhaltensänderung
erfolgen. Manchmal sind die Ablehnungen (Ängste, Ekel) so stark und
irreversibel, dass eine Therapie mit heutigen menschlichen Möglichkeiten nicht
gelingen kann. Dann können nur Toleranz, Verzicht oder Trennung das Problem verringern
oder lösen.
Wie man bei allen Problemen dieser Art am besten vorgeht, haben Menschen
bereits herausgefunden. Der Leser kann es in der psychologischen Literatur u.
a. unter „Verhaltenstherapie“ und „systematischer Desensibilisierung“ und unter
„rationale Umstrukturierung“ nachlesen. Wenn eine menschliche Psyche so
verändert wird, dass z. B. aus einer emotionalen Ablehnung, z. B. Oralaversion,
und allen anderen Phobien, Neutralität oder emotionale Vorliebe (Appetenz)
wird, spricht man von emotionaler
Umstrukturierung.
Das Gleiche gilt natürlich auch für die Entstehung einer Aversion und auch wenn
ein neutraler emotionaler Zustand vorausgeht oder herbeigeführt wird.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg einer emotionalen
Umstrukturierung ist die Motivation der betreffenden Person. Die wichtigsten
Voraussetzungen für die Bildung dieser Motivation sind der Wunsch nach
psychischer Gesundheit und die Ablehnung
des psychischen Problems (Störung, Neurose) durch den Betroffenen.
Eine
rationale Umstrukturierung ist für Menschen i. d. R. grundsätzlich viel
schneller und einfacher zu leisten, als eine emotionale Wenn ein Mensch sich
den Regeln der Logik und Vernunft unterwirft, wird er sofort einsehen, dass die
Gefahren, die z. B. vom Oralverkehr, von Mäusen, Schmatzen, kleinen Räumen usw.
ausgehen, i. d. R. extrem gering sind. Es wird ihm helfen, seine diesbezüglichen
Ängste rational abzulehnen, wenn er erfährt, wie und warum irrationale Kräfte
diese und viele andere Ängste in sein Gehirn manipuliert haben. Obwohl die
rationale Umstrukturierung beim Menschen technisch und physiologisch sehr
einfach ist, gelingt sie bei vielen Menschen nicht oder nur teilweise und mit
erheblichem Aufwand. Für dieses Problem gibt es zwei Gründe:
Erstens werden die formalen Regeln, Logik, Vernunft usw. nicht beherrscht oder
emotional abgelehnt.
Zweitens werden die neuen fremden Reize und Werte emotional abgelehnt und die
vertrauten geliebten Reize und Werte verteidigt. Diese Erscheinung heißt Konservatismus oder Indoktriniertheit oder Dogmatismus.
Wenn ein indoktrinierter Mensch mit ihm fremden Werten konfrontiert wird,
werden reflexartig Abwehrgefühle aktiviert, die objektives, neugieriges,
interessiertes Zuhören unmöglich machen. Dieser teilweise angeborene
Mechanismus schützt vor destruktiven Neuerungen, verhindert aber auch den
Erfolg konstruktiver Innovationen. Dem Betroffenen, der sich für ein
Vernunftwesen hält, sind diese Mechanismen, die er von seinen affenähnlichen
Vorfahren hat, nicht bekannt. Es würde ihm sehr helfen, wenn er sich in diesem
Punkt wirklich von seinem tierischen Erbe befreien würde.
Die Geschichte der Menschheit einschließlich aller Wissenschaften ist
wesentlich geprägt durch den Kampf zwischen Bewahrung und Erneuerung. Statt
konstruktiver Zusammenarbeit zwischen diesen Kräften gab und gibt es seit
Milliarden Jahren überwiegend (Billionen) Kriege zwischen den gegensätzlichen
Kräften, mit vielen destruktiven Siegen beider Seiten.
Die letzten Abschnitte haben deutlich gemacht, weshalb wir oben betont haben,
dass oft nur geistige, nicht materiell reale Konfliktlösungen möglich sind.
Zwei Menschen können sich z. B. rein rational (denkend) darüber einigen, ob
Wünsche und Aversionen nach und gegen Oralverkehr berechtigt sind, sie können
aber irrationale Wünsche und Appetenzen nicht beliebig verändern. Hier hätte im
Vorfeld eine konstruktive Sozialisation stattfinden müssen. Genau diese
verhindern häufig alle vorherrschenden angeborenen und erworbenen menschlichen
Selbststeuerungsprogramme (Ethiken, Gesetzbücher, Bräuche usw.).
Auch
ein weiteres oben angesprochenes Grundproblem, wurde in den letzten Abschnitten
angesprochen. Grundsätzliche Systembedingungen machen vollständiges Glück und
Konfliktfreiheit (zumindest außerhalb idealer Gesellschaften) unmöglich. Wenn
z. B. zwei Menschen zusammenleben, entstehen unvermeidbare Konflikte schon wenn
nur beide die letzte Erdbeere begehren, ganz zu schweigen vom letzten Fortpflanzungspartner.
Diese Probleme kann kein ethisches Selbststeuerungsprogramm
ausschließen.
Kritik
an menschlichen hedonistischen Konzeptionen
In Epikurs Konzept finden sich vor allem zwei
Fehler:
1.
Epikur betont zu sehr das individuelle Glück. Dadurch wird es
grundsätzlich möglich, dass Einzelne unberechtigt Lebensqualitätsverbesserungen
auf Kosten der Lebensqualität anderer erlangen.
2. Epikur verherrlicht zu sehr die Bedürfnislosigkeit und das Vermeiden von
Beunruhigungen (Angstfreiheit). Damit behindert er die Änderung von
Missständen, also dass was im konstruktiven Hedonismus das Wichtigste ist: das
Generieren der bestmöglichen Zukunft.
Es ist –im Sinne des konstruktiven Hedonismus- grundsätzlich richtig, möglichst
hohe Bedürfnisse und Ansprüche zu haben, aber auch mit dem Gegebenen zufrieden
sein zu können, wenn alles Mögliche
für Verbesserungen getan ist. Beunruhigungen und unbefriedigte Bedürfnisse
können jedoch konstruktives Leid sein. Sie können also im Sinne der Gesamtheit
und der Zukunft des betroffenen Individuums prohedonisch und fördernswert sein.
In der realen menschlichen Welt entsteht das höchste Glück aus der klügsten
Mischung zwischen höchsten Bedürfnissen und Bedürfnislosigkeit sowie zwischen
wohliger Ruhe und Beunruhigungen. Einfacher gesagt: Die Kunst des konstruktiven Lebens besteht u. a. darin, ständig nach
höheren Zielen zu streben, ohne mit dem bereits Erreichten ständig unzufrieden
zu sein.
Häufig gelingt es einzelnen menschlichen und tierischen Individuen ihre
Lebensqualität auf Kosten anderer, also parasitär, zu erhöhen. Wenn Menschen
diesen Parasitismus beseitigen und sich symbiotisch und altruistisch verhalten,
werden sehr viel mehr Individuen glücklich. Es ist deshalb sehr wichtig, dass
Menschen sich (unruhig) nicht ausbeuten lassen und Altruismus stärker fördern
(auch erzwingen =Parasitismus unterdrücken).
Kritik
des Utilitarismus
Der
Utilitarismus bezieht in sein Konzept primär nur Menschen, nicht aber alle
emotionalen Lebewesen, ein.
Er berücksichtigt stark die Gegenwart und müsste die Zukunft stärker
berücksichtigen.
Er liefert keine klare, zufriedenstellende Definition für Glück, u. a. weil zur
Zeit seiner Entstehung, Ende des 18. Jahrhunderts, die notwendigen biologischen
(ethologischen) Kenntnisse noch nicht vorlagen.
Er berücksichtigt zu wenig die Problematik des konstruktiven Leides und der
destruktiven Lust.
J. S. Mill vertritt den Standpunkt, dass die Mehrheit darüber entscheiden
solle, was in einer Gesellschaft als das höchste Glück gelten soll. Ein solcher
Vorschlag mag in einer Gesellschaft, in der eine deutliche Mehrheit
altruistisch, natürlich, sehr gut informiert und sehr intelligent (mit einem
Wort hedonistisch) ist, sinnvoll sein. In allen menschlichen Kulturen wiesen zu
allen Zeiten Minderheiten diese Eigenschaften auf. Hätte Mill unter den
Menschen seiner Zeit eine entsprechende Mehrheitsabstimmung durchgeführt, so
wären Seelenheil, Tugend, Treue, Pflichtbewusstsein, Leistung, Lustverzicht
usw., also vor allem die üblichen christlichen Werte, zum höchsten
hedonistischen Ziel erklärt worden. Es wäre eine ethische Konzeption
entstanden, die zu einigen wesentlichen Teilen in krassem Gegensatz zu den
konstruktiven Ideen Mills gestanden hätte (z. B. zum Emanzipationsgedanken).
Die
Ursache für Mills Denkfehler liegt in einer krankhaften Überverherrlichung und
Verabsolutierung freiheitlich-demokratischer Prinzipien, die als übertriebene
(neurotische) Reaktion auf Jahrhunderttausende parasitärer Ausbeutung
(Sklaverei, Unterdrückung, Raub, Krieg usw.) zu verstehen ist. Mill opfert, wie
viele seiner Kollegen und Mitmenschen, Lebensqualität auf dem Altar der
heiligen Prinzipien Demokratie und Freiheit. Er verstößt gegen seine eigene
Forderung, das „Glück der größten Zahl“ zum einzigen absoluten Wert seiner
ethischen Konzeption zu machen.
Alle
Gefühle und ethischen Werte müssen hierarchisch geordnet werden. Dabei entsteht
eine abstrakte Wertepyramide, in der Lebensqualität als höchster Wert die
Spitze bildet. Die Anordnung der Werte in dieser Pyramide muss zeitlich,
räumlich und individuell flexibel sein. Da die Gefühle und Werte der einzelnen
Menschen nicht gleich sind, müssen bei jedem einzelnen ethischen Problem oder
Konflikt die emotionalen Konsequenzen einer ethischen Entscheidung für alle
betroffenen Individuen für möglichst lange Zeiten abgewogen werden.
Trotz dieser Kritiken ist das Grundkonzept des Utilitarismus richtig und jeder
anderen traditionellen menschlichen Ethik überlegen. Es entspricht heute sogar
den Wünschen der Mehrheit der gesamten Menschheit, weil es ganz wesentlich aus
der biologischen Natur des Menschen entstanden ist.